Geschichte der Sängerschaft Gotia Göttingen

Am Anfang war die Idee: Singen und zeitgemäßes studentisches Zusammenleben. Mitte des 19. Jahrhunderts schlossen acht Studenten eine Lücke in der Göttinger Kulturszene: Sie gründeten einen Männerchor. Was lag näher, als ihn nach ihrer Universität zu benennen. In den folgenden zwei Jahrzehnten wuchs der „Studenten- Gesangverein der Georgia Augusta“ derart, dass er schon bald durch Qualität und häufiges Auftreten auffiel. Nach und nach wurden Gebräuche studentischer Verbindungen – so auch das Mensurenfechten – eingeführt und nach außen durch das Tragen von Band und Mütze sichtbar. Innen galt das Prinzip der lebenslangen Freundschaft zwischen Studierenden und Alten Herrn. Seitdem gestalten Aktive und Alte Herrn gemeinsam das Zusammenleben unserer Corporation.

Diese Entwicklung war Anlass für mehrere Namensänderungen: Ab 1887 nannten wir uns „Akademischer Gesangverein Gottinga“, später „Sängerschaft Gottinga“. Wir entwickelten mit anderen ein Netzwerk musischer Verbindungen in ganz Deutschland und gründeten 1903 „Die Deutsche Sängerschaft“ als Dachverband.

Nach dem Ersten Weltkrieg kam es zu Meinungsverschiedenheiten über die Gewichtung musischer und korporativer Elemente im Bundesleben. Diejenigen, die sich nicht auf einen dieser Aspekte beschränken wollten, bildeten die „Sängerschaft Gotia“ und bewiesen, dass man beide Elemente erfolgreich miteinander verbinden kann.

Nach der nationalsozialistischen Machtergreifung waren die meisten unserer damaligen Bundesbrüder nicht bereit, auf ihre politische Unabhängigkeit und unsere internen demokratischen Prinzipien zu verzichten. Ihre Weigerung, die Verbindung in eine NS-Kameradschaft umzuwandeln und das Führerprinzip zu akzeptieren, führte 1936 schließlich zum Verbot. Also trafen sich die Bundesbrüder fortan privat. So überlebten die Beziehungen der Bundesbrüder den Krieg und die Nachkriegszeit – ein Beleg für das Funktionieren unseres Prinzips lebenslanger Freundschaft.

Auf dieser Grundlage gründeten wir 1959 eine neue Aktivitas. Gemeinsames Lernen und hochschulpolitisches Engagement, aber vor allem Feiern, Fechten, Singen brachten Schwung in den neuen Bund. Seit der Fusion mit der Sängerschaft Baltia aus Kiel im Jahre 1992 sorgen zahlreiche neue Bundesbrüder dafür, dass uns der Schwung nicht ausgeht

 

Die Geschichte der Sängerschaft Baltia KIel

Die Sängerschaft Baltia wurde 1919 in Kiel gegründet. Die Lage an der Ostsee führte zu einer deutlichen maritimen Prägung der Verbindung.

Neben den traditionellen corporativen Grundsätzen und dem musikalischen Prinzip hatte für die Baltia auch der Sport große Bedeutung – insbesondere das studentische Fechten und der Segelsport. Im Unterschied zur Sängerschaft Gotia war die Baltia eine pflichtschlagende Verbindung.

Nach dem Verbot durch das NS-Regime, dem Zweiten Weltkrieg und den Nachkriegswirren fanden sich viele Bundesbrüder schon 1951 zur Wiedergründung der Baltia zusammen. Nach vielen Jahren eines gut funktionierenden Bundeslebens gelang es seit Anfang der 70er Jahre nicht mehr, genügend geeignete Studenten als neue Bundesbrüder zu gewinnen. Es kam zu einer langsamen Auszehrung, die 1979 zur Schließung („Suspension“) der Aktivitas führte. Dennoch wurden die Kontakte zwischen den Bundesbrüdern weiter gepflegt und viele Balten trafen sich weiterhin zweimal im Jahr auch in großer Runde zum Stiftungsfest und zum Grünkohlessen.

In der Baltia blieb der Wunsch erhalten, wieder eine vollständige Verbindung zu werden – mit einer Aktivitas, die den Fortbestand des Bundeslebens sichert. Es stellte sich jedoch bald heraus, dass die Chance sehr gering war, in Kiel wieder eine Aktivitas aufzubauen oder mit einer anderen Kieler Verbindung zusammenzuarbeiten. Auf Anregung einiger Goten und Balten begann eine zunächst lockere Zusammenarbeit zwischen beiden Verbindungen. Acht Jahre nach der Suspension der Baltia kam es zu einem Freundschaftsvertrag zwischen der S! Gotia und der S! Baltia. Dies führte zu verstärkten, regelmäßigen Treffen und gemeinsamen Veranstaltungen, bei denen sich die Beziehungen stetig verbesserten.

Der Schlusspunkt dieser Entwicklung wurde im März 1992 erreicht: In Raisdorf bei Kiel wurde die Fusion beider Bünde beschlossen und seitdem gibt es die Sängerschaft Gotia et Baltia Kiel zu Göttingen.

 

Geschichte der Sängerschaft Gotia et Baltia Kiel zu Göttingen

Nach der Fusion der Sängerschaft Gotia Göttingen und der Sängerschaft Baltia Kiel im Jahre 1992 begann das gemeinschaftliche Leben mit einem Festkommers. Schon 1993 kauften wir das Haus in der Planckstraße 14. In gemeinsamer Arbeit bauten Bundesbrüder das Haus um und renovierten es. So ging der Bund gestärkt in die Zukunft.

Die Fusion beider Bünde bewirkte, dass der neue Bund das Beste aus dem Erfahrungsschatz beider Einzelbünde schöpfen konnte. Auf diese Weise entstand bei uns die Einrichtung der Versammelten Vorstände, einer einzigartigen Versammlung der Vorstände von Aktivitas und Altherrenschaft als Ausdruck unseres Demokratieverständnisses. Hier definieren wir gemeinsam Leitlinien für unser tägliches Miteinander.

Aber wir haben auch an Freizeitaktivitäten gewonnen. So veranstalten wir alljährlich ein maritimes Wochenende in Kiel, dem Heimatort der Sängerschaft Baltia. Und wir gehen wieder auf Segeltörns, nur so zum Spaß oder um uns auf die Prüfungen für Segelscheine vorzubereiten, für die bei uns auch die theoretische Ausbildung angeboten wird.

Dem Zusammenschluss haben wir auch unseren – für Sängerschaften   mittlerweile untypischen – engagierten Paukbetrieb zu verdanken. Das freiwillige Mensurfechten hat bei uns seither einen hohen Stellenwert erlangt, was aber nicht heißt, dass Fechten bei uns Pflicht ist. Denn getreu unserem Wahlspruch „e pluribus unum“ (in der Vielfalt Einheit finden) liegt uns viel an möglichst unterschiedlichen Charakteren innerhalb unserer Gemeinschaft.